Heute heisst es “Durchatmen”...ein freier Tag so ganz ohne Verpflichtungen (ausser natürlich der üblichen Yogaroutine) steht bevor. Der entschlossene Alltagsyogi spürt regelrecht, wie das Entbinden von Verpflichtungen ihn länger ausatmen lässt. “Könnte man sich nicht jeden Tag so ein bisschen den anstehenden Verpflichtungen entbinden?” fragt er sich, “nur um tiefer durchatmen zu können”, denn das gefällt ihm. Das ist wie als würde von den Schultern und dem Herzen was weggenommen, was es eng werden lässt. Dann stellt sich der unbeirrbare Yogi vor den Spiegel. Lange steht er da und schaut in sein Abbild...nicht wie sonst, wo er so genau schaut, ob die Haare richtig liegen und der Gesichtsausdruck so ist, dass er die Welt beeindrucken kann. Ganz intensiv verfolgt er mit seinem Blick all die Linien und Furchen...die Einkerbungen und Auswölbungen...die Farben, Übergänge und Formen...Er fragt sich, ob Yoga und das Entbinden von der Last der Verpflichtungen seinen Ausdruck verändert...nicht so sehr, das, was er aussen sieht, sondern mehr so den inneren Ausdruck. Lange hat er geglaubt, dass Yoga für ihn sowas wie ne Kosmetik ist...man tut etwas im Aussen und dann ist alles gut. Wahrscheinlich ist das auch erst mal ein ganz guter Ausgangspunkt, von dem man starten kann. Aber die beste Creme von aussen wirkt nur bis zu einer gewissen Tiefe...die wirkliche Veränderung kommt von wo anders her. Der unbeirrbare Yogi schaut sich weiter an und denkt an die Tiefe und den inneren Ausdruck. Dann schreitet er entschlossen auf seine Yogamatte, die er ohne grosse Überlegung oder sonderliches Verhandeln mit seinem inneren Schweinehund ausrollt. Sein Blick geht mit der Tiefenwirkung nach innen, um zu erforschen, wo sein Körper heute besonders das nährende Prana, also die nährende Energie braucht. Ganz sanft lenkt seine Aufmerksamkeit den Atem in all die Bereiche, die “ausgetrocknet” zu sein scheinen. Das macht seinen Geist gleichzeitig sehr ruhig. Dann leitet er über zur Sauerstoffflaschenatmung, die ihn noch ruhiger macht. Die Dampflokomotive darf nicht fehlen….nach ein paar Runden schnaufen scheint die einzigste Verpflichtung, die für diesen heutigen Tag übrig geblieben ist, das Spüren zu sein...nicht das Schauen im Aussen, sondern das Spüren in die Tiefen seines Körpers und all der Schichten, die noch tiefer gehen, als dieser Körper. Und während der unbeirrbare Alltagsyogi seine Sonnengrüsse und Krieger übt, versucht er seine Asanas so gut es geht einzunehmen….versucht sich zu erinnern, worauf es ankommt...die richtige Fuss-Hand-und Armstellung...Stabilität, Länge usw. Er ist sehr bemüht und dann kommt ihm ein Bild: er fühlt sich wie so eine Knetmasse, die sich immer wieder neu den verschiedenen Formen anpasst. Je klarer sein Bild von der Form ist, desto feiner zeichnet sich die Form in seinem Körper ab. Und nochmal die Aufmerksamkeit zum Knie...und dann nochmal zum Brustbein, dem Grosszehenballen...und dem Atem...und der Atem führt ihn tiefer in diese Schichten, die er gar nicht so genau benennen kann. Er fühlt nur, dass es da noch mehr gibt, als Muskeln, Knochen, Sehnen, Bänder und Organe...Er fragt sich: wenn er sein kann wie ne Knetmasse (die mal weicher und mal zäher ist), dann kann er sich jederzeit ja verändern...ne neue Form einnehmen und in dieser neuen Form Erfahrungen machen. Mit seinem tief nach innen geführten Atem fragt er sich, wer denn da eigentlich die Erfahrung macht...und um wen oder was es eigentlich geht. Etwas irritiert hält der unbeirrbare Alltagsyogi inne...streicht sich mit den Händen übers Gesicht und über den Körper: nein die äussere Kosmetik kann es nicht sein – zumindest nicht nur (wobei es schon toll wäre, wenn die ein-oder andere Falte oder das ein-oder andere Grau Haar verschwinden würde!). Es dämmert ihm so langsam in seinem yogaphilosophischen Hirn, dass es gar nicht so um die Form geht...aber die Form ziemlich genial ist, um den oder das, was sich hinter und in der Form verbirgt wahrzunehmen. Auch wenn die Details dieser hochphilosophischen Erkenntnis nicht ganz klar sind- eins steht fest: da ist etwas, das sehr lohnenswert ist, genauer zu erforschen. Vielleicht reichen die heutigen Krieger, Dreiecke, Seitwinkel, Schlangen und Vorbeugen nicht aus, das herauszufinden aber entschlossen und unbeirrbar wird ihn seine Neugierde wach halten...wach für das, was es da sonst noch so gibt...zu sehen und zu spüren, was es mit der Knetmasse auf sich hat. Für heute genügt es und er lässt diese formbare Masse in die Matte sinken...spürt den Atem, der alle Schichten dieser Form zu durchdringen vermag und ruht in diesem Spüren. Sein Kopf wird schwer und die Gedanken gehen in das Land zurück, aus dem sie wahrscheinlich irgendwann einmal hergekommen sind um dem entschlossenen Yogi unbeirrbar in die Tiefe der inneren Kosmetikanwendung zu führen. Vielleicht verschwinden dabei nicht alle Falten und Grauen Haare aber ganz sicher kommt ein Glanz ins Innere. Mit einem Lächeln, rollt sich der entspannte Yogi auf die Seite, um von dort aus aufzustehen und strahlend sein Tageswerk zu meistern – egal in welcher Form und Situation!
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