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  • AutorenbildKarin

Der unbeirrbare entschlossene Alltags-Yogi… Nr. 1



wacht früh am Morgen auf (zumindest fühlt es sich noch sehr früh an): ahhh – Frühlingserwachen – die Vögel zwitschern...es steht ein guter Tag bevor – wunderbar!

Noch einmal umdrehen und das Schweregefühl in den Gliedern genießen.

Aber ach herrje: da meldet sich schon gleich das schlechte Gewissen: “Du wolltest doch früh aufstehen und Yoga üben – mindestens eine Stunde lang...oder vielleicht sogar noch mehr...” “Energiearbeit ist wichtig”...so sagen es die, die Ahnung zu haben scheinen – “in diesen Zeiten mehr denn je!”

Also überwindet der entschlossene Yogi seinen inneren Schweinehund und auch wenn die Versuchung gross ist, diese Stimme zu überhören, wühlt sich aus dem kuschlig warmen Federbett.

Die Morgenroutine geht recht schnell – flugs brummt die Zahnbürste über die Zähne, fließt eine handvoll Wasser übers Gesicht und schon ist man bereit für….jaaaaa – den ersten Kaffee….

Wäre da nicht diese aufdringliche Stimme: “los, kleiner Yogi, schwing dich auf die Matte!”

Brummelnd rollt dieser entschlossen die noch funkelnagelneue Yogamatte aus. (auf Nennung von bestimmten Marken wird an dieser Stelle verzichtet!) Ui – sie ist wirklich noch neu – also unbenutzt...vielleicht sollte man erst mal ein paar Tage abwarten, bis sie ausgedünstet ist und man bedenkenlos drauf rumturnen kann….

Und schon wieder diese Stimme: !jetzt oder nie!” Fast schon erschrocken streift sich der entschlossene Yogi das T-Shirt über, das hoffentlich gut mit der Yogapraxis harmonieren und allen, die vielleicht zuschauen einen guten Eindruck vermitteln wird.

Aber wo sind die Zuschauer??? Keiner weit und breit zu sehen...keine Bewunderer, keine Motivatoren...nur der entschlossene Yogi mit dem Fragezeichen auf dem Gesicht, wie er denn nun starten soll.

Alle möglichen besuchten Yoga Stunden der vergangenen Wochen rauschen im Schnelldurchlauf durch seinen Kopf – hätte er mal besser aufgepasst oder sich sogar Notizen gemacht...so scheint es fast unmöglich, sich an nur irgendwas zu erinnern und einen guten Einstieg zu finden.

Ratlos steht er da...schaut sich um...schaut an sich herab und bemerkt, dass die Zehennägel viel zu lang geworden sind. Vielleicht sollte er mit einer Pediküre anfangen...immerhin könnten sich die Zehennägel bei manchen Übungen sehr unschön in seinen zarten Körper bohren…

und kaum zu glauben: schon wieder diese Stimme…

“Konzentriere dich auf deinen Körper und beginne, diesen zu entspannen….nimm wahr, dass die Einatmung geschieht und mit dem Ausatmen erlaube Spannung zu weichen...”

Der entschlossene Alltags-Yogi beobachtet, wie der Körper das mit der Entspannung macht...und wird ermutigt, jedem Ausatmen zu folgen….vom Körper hinaus….und dann kommt die neue Einatmung, die sich immer wieder neue Bereiche aussucht, in die sie hinein strömt...und dann geht’s schon wieder nach draußen. Die Pediküre ist vergessen und die Freude am Gehenlassen gewinnt Oberhand...nochmal und nochmal verfolgt der unbeirrbare Yogi diesen Prozess, bis sich sein Körper irgendwie anders anfühlt.

Das tut gut. Er setzt sich bequem auf die Matte, um diesem Schweregefühl nachzugeben und die Veränderungen zu bestaunen.

Bevor sich neue rastlose Gedanken einmischen können, flüstert die mittlerweile schon vertraute Stimme:

“So, und jetzt lasse deinen Geist still werden!”…

Der unbeirrbare Yoga möchte schon protestieren – weiss er doch aus Erfahrung, dass das manchmal nahezu unmöglich ist.

Aber er hat keine Chance – schon wieder diese Stimme:

“Distanziere dich vom Impuls, auf die Welt zu reagieren und beobachte einfach nur, deine Impulse und Reaktionsweisen”.

Ja, ja, ist ja schon gut...ich bin entspannt und beobachte...aber was mir dann noch einfällt ist…

“schhhhhhhhh – unterbricht ihn die Stimme….nicht denken oder drüber nachsinnieren oder interpretieren...einfach nur beobachten...Distanz schaffen…

Diese Stimme ist wirklich nicht so leicht klein zu kriegen…

also folgt der unbeirrbare Yogi und  beobachtet...und bemerkt, wie viele Gedanken da sind...die ja alle beobachtet werden können und nicht weiter ausgedacht werden müssen…

Als wäre das ne Zauberformel – nach anfänglichem Widerstand wird es leiser und stiller im Kopf…

Eigentlich ganz cool, so ne Beobachterposition einzunehmen und nichts tun und keine Lösungen finden zu müssen...

Vieles rückt in den Hintergrund und was zählt ist das, was gerade geschieht:

das Sitzen auf der Matte, das Entspannen und das Beobachten…

Jetzt ist es viel leichter zu schauen, was ich denn eigentlich hier und heute für eine Ausrichtung in mein Yoga geben möchte…

statt über das nachzudenken, was ich tun könnte, schaue ich, was mir für heute wichtig ist!

So ein bisschen innere Stabilität könnte nicht schaden…

Als könnte die Stimme Gedanken lesen fügt sie hinzu:” verstärke mit jedem Ausatmen deine Intention und behalte diese in jeder Pose und in jedem Moment bei. Richtung geben hilft, die Energie dahin zu lenken, wo du sie haben möchtest”

Die Stimme war so überzeugend und eindringlich, dass selbst, als das Handy piept um zu signalisieren, dass ‚ne Nachricht reingekommen ist, der Alltags-Yogi beharrlich auf der Matte sitzen bleibt (auch wenn er natürlich ziemlich neugierig ist, wer ihn  da angefunkt hat).

Und ohne, dass die Stimme irgendetwas sagen muss, erinnert sich der Yogi plötzlich an das, was er so häufig im Unterricht gehört hat:

“Ruhe schwer in deinem Sitz und sinke in den Boden ein – mit jedem Ausatmen ein Stück mehr. Dein Geist ruht dort, wo dein Körper den Boden berührt”.

So fühlt sich der Alltags-Yogi schon bald sehr geerdet und komischerweise kommt automatisch ein Stück mehr Leichtigkeit in sein Körpererleben hinein.

Glücklich darüber, dass er sich an irgendwas aus seinen Yogastunden erinnern konnte, geht die Inspiration weiter. Auch wenn für heute das “OM” noch ausfallen muss (darüber hätten sich Katze und die Nachbarn wohl doch sehr gewundert) rollt der entschlossene Yogi auf alle Viere und bewegt seine Wirbelsäule. Erst langsam aber weil es mehr und mehr Spass macht, wird er schneller und schneller. Da kommt ein ganzer Schwung von Energie ins Rollen…

und schwupps ist der Po in die Luft gehoben und der Yogi reckt und streckt sich in alle Richtungen.

Nach einer Weile wird er still….und spürt, wie er sich in dieser Pose noch mehr ausdehnen kann. Es tut so gut, den Rücken zu strecken und die Kraft in Armen und Beinen zu spüren...dann den Kopf einfach nur mal hängen zu lassen...Vielleicht ist es ja gar nicht so wichtig, wie perfekt und ansehnlich diese Position ist (Zuschauer sind ohnehin keine da!), sondern dass sie sich gut und kraftvoll anfühlt! Eine kindliche Freude macht sich breit und dann lässt der Yogi die Knie auf den Boden sinken, schiebt den Po auf die Fersen, lässt den Kopf auf die Matte gleiten und ruht erst mal ein wenig aus.

Auch, wenn es noch nicht die 90-minütige durchstrukturierte Yogaklasse war, die er sich vorgestellt hatte, so sollte es für heute genügen. Große Wege fangen mit kleinen Schritten an und zufrieden richtet sich der entschlossene Alltags-Yogi auf….atmet noch ein paar Runden und verlässt dann ganz die Matte, diesen besonderen Platz, um seinem Tagewerk nachzugehen. Es scheint von außen betrachtet gar nicht so viel gewesen zu sein aber das, was an innerer Veränderung zu spüren ist, hat den Aufwand und den Verzicht auf den ersten Morgenkaffee (der gar nicht mehr so wichtig zu sein scheint) gelohnt! Die handy-Nachricht ist schon fast vergessen und der Tag darf nun gut weiter gehen.

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