Allmählich taucht der entschlossene Alltagsyogi aus den Traumwelten auf und realisiert, dass ein neuer Tag begonnen hat. Wohl hat er geruht und von Menschen, die viel lachen geträumt. Tatsächlich scheint es ihm manchmal fern der Realtität, das Menschen natürlich und frei lachen...einfach so: aus Freude heraus und weil sie glücklich sind. Er denkt darüber nach...Jetzt, wo er sich in anderen Kreisen bewegt, nimmt er wahr,dass da auch gelacht wird. Aber irgendwie dachte er oft schon, dass da sowas gezwungenes dabei ist. Fast so wie mit der Wut, die er meinte, als Yogi nicht zeigen zu dürfen, so ist es umgekehrt mit guter Laune und Freude: es scheint zum guten Benehmen zu gehören, dass man irgendwie immer gut drauf ist – und dass egal, wie es sich anfühlt, Dinge so schnell ins Positive gedreht werden, dass der dadurch irritierte Yogi manchmal gar nicht mehr weiss, was denn nun wirklich ist. Er denkt zurück an die Scheinwelten und an seinen Traum. Vielleicht ist damit gemeint, sich nicht hinter Floskeln und Gefühlen zu verstecken, sondern dazu zu stehen und Verantwortung zu übernehmen, für die Realtität, die man gerade empfindet. Die muss sich ja nicht gleich mit allen Realitäten aller Menschen decken – das wäre wahrscheinlich ein wenig langweilig aber zumindest darf sie sich mit seinem Innenleben decken – das reicht für den Anfang wohl gut aus, um mit dem Markenzeichen “Qualitätsecht” in der Welt zu sein.
Es ist Wochenende und da gönnt er es sich, noch ein paar Minuten länger dem Wachwerden zu widmen.
Er fühlt die warme Decke, in der er eingehüllt ist, das weiche Kissen auf dem sein Kopf ruht und überhaupt: bemerkt, wie toll es ist, so beschützt liegen zu können. Der ersten Sonnestrahlen lugen durchs Fenster herein und verzaubern den Raum in dieses besondere Licht, das nur dann gesehen werden kann, wenn der Tag noch jung ist.
Der unbeirrbare Yogi denkt, dass er seit Corona viel mehr Wertschätzung hat für all das, was ihm sonst so selbstverständlich ist und was er allzuoft gedankenlos konsumiert.
Die Vögel zwitschern: wie oft hat er diese überhört! Er hat fast den Eindruck, als würden sie heute ein besonderes Lied für ihn singen.
Er hat keine Eile aufzustehen – aber auch keinen Widerstand. Er ist mit sich in Ordnung und weiss, dass ihn auch heute wieder seine Yogamatte erwarten wird.
Nach seiner Morgentoilette findet er sich ein auf diesem Platz, der keine Unwahrheiten und Lügen tragen zu wollen scheint und auf eine besondere Weise durch das viele Umherwinden und Schaupfe und Prusten alles ausgewrungen wird, was nicht echt ist und alle Unwahrheiten sichtbar macht.
Tja, das mit den Lügen ist auch so eine Sache, denkt der entschlossene Wochenend Yogi. Wie oft hat er anderen einen Fehler, den er gemacht hat, nicht eingestehen können oder wie bereits vor einigen Tagen bemerkt anderen ein bestimmtes Bild von sich vermitteln wollen. Was ist ihm nicht alles eingefallen, nur um ja nicht als schlecht dazustehen und alle Peinlichkeiten zu vermeiden. In dem Moment fragt sich der unbeirrbare Yogi was denn eigentlich eine Peinlichkeit überhaupt ist. Er denkt hin und her und meint schliesslich, in sich so was wie eine Scham zu spüren...das kommt vielleicht am ehesten hin: sich dafür zu schämen, dass man nicht perfekt ist oder so. Ist doch eigentlich ne ganz schön doofe Sache, stellt er abrundend fest, bevor er in seine Praxis einsteigt, in der ihm kein Perfektionismus und auch keine Scham der Welt hilft. Hier enthüllt er sich all der Klamotten, die er sich im Laufe der Jahre angezogen hat, die aber weder Grösse noch Farbe, die zu ihm passen abdecken. Nicht dass jetzt ein falscher Eindruck entsteht: in echt lässt der unbeirrbare Yogi natürlich seine Kleidung an aber das Bild mit den Klamotten und der Verhüllung passt ganz gut. Vielleicht sind deshalb die etwas schwereren und anstrengenderen Übungen so besonders unangenehm, weil sie in Kontakt bringen mit einer Schicht, die sich so klebrig anfühlt, dass man sie lieber nicht antasten möchte. Wie gut, dass der heutige Wochenendyogi unbeirrbar und entschlossen ist, denn so steigt er ein in seine Übungen:
In Stille sitzen…
den Körper entspannen…
den Geist zur Ruhe kommen lassen…
das Innenleben beobachten
und dann die Sauerstoffflaschenatmung….
direkt im Anschluss die Jim Knopf Dampflokomotivenatmung.
Nochmal nachspüren und die Veränderungen wahrnehmen...und dann heisst’s aufstehen:
jetzt ist der Sonnengruss dran...der Alltagsyogi fängt heute am Wochenende langsam an und so wie seine Muskeln wärmer werden, wird auch sein Sonnengruss geschmeidiger und fliessender. Sein Atem wird tiefer und schneller und nach einigen Runden bleibt er ruhig stehen, um dem Atem Gelegenheit zu geben, Körper und Geist wieder einzuholen….oder umgekehrt, ist ja eigentlich egal...Hauptsache, alle finden wieder gut zueinander.
Natürlich darf der Krieger nicht fehlen, der ist für allen Mut gebraucht, sich dem Leben zu stellen. Und weil heute Wochenende ist, darf es gleich der erste und der zweite Krieger sein….und dann fällt ihm noch der demütige Krieger ein, für den er die Hände hinter dem Rücken verschränkt und die Arme mitnehmend, den Oberkörper ganz weit nach vorn beugt. So ganz bequem ist das nicht...aber das hat es vermutlich auch mit der Demut auf sich: eine gewisse Anstrengung ist damit verbunden. Wirklich mit den Füssen auf dem Boden zu stehen und den oft besserwisserischen Kopf vor dem Herzen zu verneigen...ein ganz schönes Ding eigentlich. Aber das, was der entschlossene Wochenend Yogi spürt, lässt ihn noch einen extra Atemzug in der Postion bleiben und siehe da: alles wird ein wenig weicher.
Dann geht es in den Seitenwechsel...der Kopf weiss schon, was kommt und ergibt sich mal lieber gleich der Sanftheit, die in der Demut steckt und so hat das Herz des unbeirrbaren Yogi viel Raum, um sich auszudehnen. Hei, das macht Freude! Ohne, dass es auch nur irgendeinen wirklichen Grund gibt, muss der entschlossene Yogi unbeirrt lachen...einfach so...weich und befreit.
Dieses Lachen nimmt er mit in noch ein paar herabschauende Hunde, Drehungen und Vorbeugen...lässt sich schliesslich auf dem Rücken nieder, um noch einmal im Schulterstand die Beine in die Luft zu strecken und seinem inneren Lachen Raum zu geben.
Dann ist es Zeit für Savasana...die allerbeste aller besten Positionen...daliegen und gar nix mehr tun.
Wobei das nicht so wirklich stimmt: er lässt los und erlaubt dem Atem, sich überall dahin zu bewegen, wo er möchte. Und der Atem ist wie ein Kind, dem man erlaubt, in jede Ecke und Nische zu schauen: er bewegt sich überall hin, wo er sonst nicht reingucken darf und schaut sich neugierig alle häufig noch so verborgenen Ecken im Körper an. Dann geht er befriedigt wieder weiter und trägt den Yogi sanft wie auf Wellen, der es geniesst, heute und hier da zu sein.
Nach einer Weile rollt er sich zur Seite, setzt sich auf und schliesst seine unbeirrbare Übungspraxis mit einer wechselseitigen Nasenlochatmung. Danach ist es ein wenig so, als hätte sich in seinem Kopf-und Rachen ein Pinimenthol aufgelöst: alles ist schön weit und durchlässig in seinen Atemwegen.
Mit dem festen Vorsatz, keine Klamotten mehr anzuziehen, die ihm nicht passen, rollt er zufrieden seine Yogamatte zusammen, um in den Schrank zu schauen, was für seine heutige Garderobe noch übrig bleibt. Chic hin oder her – lieber die verschmuddelte Yogginghose anlassen aber sich selbst treu bleiben! Dann schreitet der unbeirrbare Alltagsyogi entschlossen in den weiteren Tag hinein.
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