Entschlossenen Schrittes wandte sich der unbeirrbare Alltagsyogi ab: von seiner Yogamatte, von seinem Computer, seinem Handy, den vielen Stapeln ungewaschener Wäsche, den Staubwolken auf dem Regal und überhaupt vom ganzen Zimmer und seiner ganzen Wohnung. Nicht, weil er auf der Flucht wäre (würde das helfen, hätte er schon längst das Weite gesucht!), nein – da war vielmehr der deutliche Impuls:” Heute ist ein anderes Yoga dran!” Er konnte stolz sein auf sein unbeirrtes Üben: Yoga mehr und mehr zu einem Teil seines Alltages werden zu lassen. Aber eine Stimme flüsterte ihm klar und unmissverständlich in sein Ohr, dass Yoga zwar was mit Disziplin zu tun hat aber auch ganz viel mit der Weisheit entscheiden zu lernen, zwischen einer Disziplin, die hart macht und einer Notwendigkeit, Disziplin loszulassen für innere Geschmeidigkeit. Im Kopfe des unbeirrbaren Yogis tauchte das Wort “Fixierung” auf. Er überlegte – ja genau: Fixierung ist etwas starres, gehaltenes….etwas, das eng macht und schon fast etwas zwanghaftes hat. Yoga dahingegen hat in seiner Vorstellung etwas mit Weichheit zu tun und einem Gefühl, das Freiheit schenkt – also das Gegenteil von einer Fixierung ist. Er kannte sehr wohl diese Situation, wo er nicht sicher war, ob er zu hart gegen sich selbst war oder zu sehr dem nachging, was ihn davon überzeugen wollte, er müsse gut zu sich sein und deshalb mal lieber weniger üben...was wohl eher so was wie eine Ausrede und schlussendlich eine Selbstlüge war. Eins war klar: sich selbst belügen wollte der unbeirrbare Yogi nicht mehr – davon hatte er genug. Nun stand die grosse Quizfrage im Raum, wie denn diese Weisheit der Unterscheidung zu erlangen sei.
Fragend spitze der motivierte Alltagsyogi seine Ohren in den Raum, ob ihm an dieser Stelle nicht vielleicht die wohlmeinende Stimme aus dem Hintergrund zur Hilfe eilen könnte.
Er lauschte – und lauschte – aber es blieb still!
Mist aber auch, wenn man sich auf nix verlassen kann, brummelte er missmutig vor sich hin.
Nach einer Weile liess der frustrierte Alltagsyogi davon ab, eine Antwort präsentiert zu bekommen und just in dem Moment tauchten Sätze in seinem Kopf auf:
“Die Antwort liegt in der Frage...höre nicht auf zu fragen, dann wird sich die Antwort offenbaren. Habe Geduld...lasse die Fixierung auf eine Antwort los – stattdessen weite dein Wahrnehmungsfeld, um die Antwort auf deine Frage zu erfahren!”
Da war sie schon wieder: die Fixierung! Und diese komischen Sätze, die man wohl nur verstehen konnte, wenn man ganz oben auf der Erleuchtungs-Karriere-Leiter stand.
Da der unbeirrbare Alltagsyogi nur ein wenig Yoga in seinen Alltag bringen wollte und keine Karriere darau
s machen wollte, schienen die Worte in seinem Kopf nicht so wirklich für ihn bestimmt.
Aber komischerweise regte sich etwas in seinem Gemüt und in seinem Körper...Er merkte, wie fast alle Muskeln anspannten – zwar nicht stark aber deutlich spürbar. Auch sein Blick veränderte sich und sein Atem...alles wurde sehr eng und zum ersten Mal schien dem nicht alltäglichen Yogi, als könne er in seinem Körper und Gemüt spüren, was eine Fixierung ist.
Brrrrr – das war gar nicht schön und konnte unmöglich Yoga sein! Er dachte an sein Vorhaben raus zu gehen und an den Frühling, der draussen erwachte...die vielen Blüten und Blumen...das frische Grün...den feinen Duft dieser Frühlingsfrische…
eine kindliche Freude machte sein Herz ganz weit...ja, das fühlte sich anders an, wie Fixierung, wie starr auf etwas ausgerichtet zu sein.
Die Antwort auf seine Frage hatte er zwar noch nicht gefunden, aber den klaren Entschluss, dass es richtig war, sein heutiges Yoga in einem Spaziergang über die bunten Frühlingswiesen übergehen zu lassen. Die Sonne und den Wind auf seiner Haut zu spüren und sich vom Duft der Frühlingswiese betören zu lassen.
Wenn nicht hier ein gutes Stück Yoga zu finden war – wo dann?
Es dämmerte dem aufgeweckten Alltagsyogi, dass Yoga etwas mit Freiheit zu tun hat. Nicht der Freiheit, jeder Laune nachzugeben, aber der Freiheit, sich nicht von seinen starren Gewohnheiten und oft unsinnigen Gedanken beherrschen zu lassen, sondern das zu tun, was dran ist, um ihm inneren Frieden zu schenken.
Und so machte sich der heutige Feld-Wald und Wiesenyogi daran, seinen Atem mit dem der grossen Weite der Natur zu verbinden, um dem Erleben von Yoga wieder mal ein Stück näher rücken zu können.
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