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  • AutorenbildKarin

Der unbeirrbare Alltags Yogi Nr. 5


Der Tag neigt sich dem Ende. Der unbeirrbare Alltagsyogi ist recht müde und irgendwie von den vielen Tagesbegegnungen-und Erlebnissen doch recht aufgewühlt. Jetzt schon hat er eine Ahnung davon, dass er all das, was er heute nicht lösen konnte, mit in seinen Schlaf oder wie so oft in eine schlaflose Nacht nehmen wird. Nicht, dass er hier gute Lösungen finden wird aber es scheint, als hätten die Gedanken in seinem Kopf so eine ganz eigene Dynamik, auf die er nur begrenzt Zugriff hat. Sein Blick fällt aufs Küchenregal: ah, genau, das könnte er sich jetzt zum Runterkommen gönnen: da steht sie – die Flasche Rotwein und strahlt ihn an. Aber er könnte sich auch vor die Glotze setzen und irgendsoeeine Schnulze reinziehen. Da vergisst man die eigenen Sorgen, während man im Drama der anderen dahin schmilzt. Und dazu dann ne Ladung Chips...au fein...oder am besten ne Kombination von Wein, Chips und Fernseher - das hört sich nach einem entspannenden Abend an. Gerade will der entschlossene Alltagsyogi ein Weinglas holen, da ist sie – diese Stimme, die glattweg seinen Entschluss ins Wanken bringt.

“Für den Moment mag es sich gut anfühlen aber wirklich helfen tut Dir diese Art von Entspannung nicht, da sie eigentlich gar nichts mit Entspannung zu tun hat. Körper und Geist entspannen, wenn sie das Erleben und die Gefühle integrieren können. Alles was im Aussen zugeführt wird, dämpft nur die Spannung runter oder betäubt sie aber glaube mir: morgen steht sie wieder auf der Matte.”

Ja wie – keinen Wein und keine Chips? Allein der Gedanke, auf diese Nettigkeiten verzichten zu müssen, treibt dem entschlossenen Alltagsyogi die Sorgenfalten auf die Stirn und das Gefühl, nur das kann ihm helfen runter zu kommen, nimmt unerbittlich Raum ein. Gereizt werden die Bewegungen und Gedanken des unbeirrbaren Yogis schneller und hektischer und flux dreht er sich weg von dieser Stimme. Aber kaum zu glauben: da ist sie doch glatt schon wieder:

“Du kannst zwar versuchen, Dich von der Realtiät abzuwenden aber diese wird Dich immer wieder einholen! Sich die Decke über den Kopf zu ziehen und so zu tun, als könne Dich dann niemand sehen (weil Du ja niemanden mehr sehen kannst) ist genauso, wie sich den Wein reinzupfeifen und so zu tun, als wärest Du entspannt.”

Irritiert fragt sich der Yogi: “Hmmmm, so tun als ob...und Decke über den Kopf...aber ich fühle mich dann doch...naja, zumindest nicht mehr so würde all der Stress des Tages mich erdrücken. Aber vielleicht tut er das doch und dann kommen nachts die schlechten Träume oder die vielen Gedanken oder sogar die Schlaflosigkeit und ich wundere mich dann, warum ich am nächsten Morgen ganz gerädert bin. Was kann ich denn bloss tun?”

Verzweifelt schaut sich der unbeirrbare nun aber doch irritierte Alltagsyogi im Raum umher, so als könne er dadurch ne Antwort von dieser Stimme im Hintergrund erwarten.

Und Gott sei Dank hat sie auch einen Plan für ihn bereit.

“Bewege Dich ein wenig...damit bringst Du die Energie in Deinem System in Bewegung und dann kann sie sich wieder neu sortieren. Vorbeugen sind wunderbar, um Deinem Nervensystem zu schmeicheln. Rückbeugen nicht mehr allzuviele – die können Dich wieder zu sehr aktivieren. Verbinde die Bewegungen gut mit Deinem Atem und lass jede Ausatmung etwas länger als die Einatmung werden. Und dann setzte Dich hin und übe noch ein wenig die wechselseitige Nasenlochatmung”

Ein verlorener Blick zur Weinflasche, die den Yogi immer noch anstrahlt aber da er unbeirrbar ist, erlaubt er sich auch einen Blick zur zusammengerollten Yogamatte.

Als hätte diese magische Kräfte, geht er ohne weiter darüber nachzudenken zu ihr hin, greift sie und rollt sie aus. Schnell Schuhe und Socken aus...und dann einfach nur mal strecken und dehnen...und dann kommen auch schon wie von selbst ein paar Übungen in seinen Körper, die er von seinen Yogastunden kennt. Als hätte sich sein Körper diese gemerkt und ohne den Kopf zu betätigen einfach angefangen. Ui, das tut gut...die langen Beine im Stehen und den Oberkörper hängen lassen...und von Seite zu Seite pendeln und den Kopf ausschütteln und dann elegant und routiniert in den Hund der nach unten schaut...es folgen noch einige solcher Übungen und tatsächlich scheint das Tagesgeschehen wesentlich in den Hintergrund gerückt. Was zählt ist das hier Sein auf der Matte. So, jetzt ist die Zeit für das dicke Kissen unterm Po und das Atmen. Nicht, dass der entschlossene Alltagsyogi sonst nicht atmen würde..das ist glücklicherweise eine Funktion, die ohne sein Zutun geschieht. Dennoch ist es im Yoga anders mit dem Atmen und das “anders” taucht manchmal im Alltag auf – wenn man zum Beispiel merkt, dass man vor lauter Stress kaum noch ausgeatmet hat, dann kommt die Erinnerung, doch mal ordentlich auszuschnaufen. Und das tut gut.

Für heute ist die Atmung im Wechsel jeweils durch das eine und dann durch das andere Nasenloch dran. Das bringt so schön in die Mitte. Noch einmal durch beide Nasenlöcher ausatmen – dann rechts zudrücken und links einatmen. Für einen Moment halten und dann rechts ausatmen...dann rechts wieder ein und links ausatmen. Die ersten Runden sind noch von Unruhe geprägt, die sich dann aber mehr und mehr legt. Und nach einigen Minuten sitzt der entschlossene Alltagsyogi wie ein Yogi aus dem Yogabuch: ganz still und aufrecht. Nicht gekünstelt still, sondern entspannt still. Wein, Chips und Fernseher haben keine Anziehungskraft mehr – wie gut dass die magnetische Ausstrahlung der Yogamatte getrumpft hat. Und so steht allmählich der entspannte Alltagsyogi von der Matte auf, um seine Abendtoilette vorzubereiten und sich dann für einen erholsamen Schlaf in sein Bett zu kuscheln. Ob er diese Nacht von herabschauenden Hunden, versäumten Filmserien oder ungelösten Problemen träumt, werden wir morgen erfahren.

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