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AutorenbildKarin

Der unbeirrbare Alltagsyogi Nr. 9

Nachdem der entschlossene Alltagsyogi unbeirrt festgestellt hat, dass Yoga mehr mit der inneren Welt als einer äusseren Kosmetik zu tun hat, war ihm, als müsste er heute etwas mehr Struktur in seine Yogapraxis bringen. Er konnte sich an seine angeleiteten Yogastunden erinnern, die in seinem Körper und in seinem Energiehaushalt Sinn machten – also musste es ja auch möglich sein, ihm über mehr geordnete äussere Struktur auch verbesserte innere Struktur zu geben.Also: bislang hat es sich ja schon mal ziemlich gut angefühlt, im Sitzen anzufangen...einzuchecken in Körper und Geist und dort eine erste Entspannung reinzubringen. Das mit dem Atmen danach hat ihm auch recht gut getan...und dann schien zum Warmwerden der Sonnengruss perfekt zu sein. Wahrscheinlich gibt es noch zich andere Aufwärmübungen aber jetzt wollte er sich erst mal diese eine Variante zu eigen machen….zu eigen machen...hmmmm, was hiess das eigentlich? Hat man ein Anrecht darauf, sich etwas zu eigen zu machen, was einem ja gar nicht gehört und wohl auch nie gehören wird? So auch der etwas komische Ausdruck “Mein Atem”...kann das denn überhaupt sein? Habe ich wirklich Anspruch darauf, den Atem mein Eigen zu nennen? So bewegten sich die Gedanken, des strukturierten Alltagsyogis hin-und her. Er fand es respektvoll, bis er den unklaren Sachverhalt eindeutig geklärt hätte, mal lieber Abstand zu nehmen von dem Besitzanspruch auf den Atem und wandelte den Ausdruck ganz einfach in eine allgemeine Bezeichnung...also “der Atem”…das schien ihm angemessener.Der Atem hat eine ziemlich praktische Qualität, nämlich: er ist immer bei einem (zumindest so lange es uns geschenkt ist)...den Schlüssel kann man mal vergessen und auch den Schlaf nicht gleich finden – aber der Atem ist unglaublicherweise immer da...ob man dran denkt oder nicht...Und vielleicht ist es das, was einem zu eigen wird: der Atem haucht Lebendigkeit in eine Position, die man gerade einnimmt. Der unbeirrbare Yogi hat schon häufiger den Unterschied bemerkt, wie es sich anfühlt, wenn er sich seines Atems bewusst ist aber auch, wenn er den Atem schleifen lässt und nur recht anteilnahmslos in einer Übung verweilt. Dann bleibt es wenig interessant...und der Drang, mehr oder etwas anderes machen zu müssen wird stärker. Das sind die Momente, wo sich der entschlossene Alltagsyogi leicht übernimmt, was ihm gar nicht gut tut oder wo er sich ausklinkt. Wenn er aber den Atem begleitet, dann passiert so viel mehr in einer Asana. Das ist dann so wie als hätte er ne gute Mahlzeit zu sich genommen, die ihn nährt und angenehm sättigt.Der reklektierende Yogi kommt zu dem Schluss, dass die Struktur vielleicht gar nicht so entscheidend ist, sondern vielmehr der Atem, der ihn in die Übung hinein und wieder herausführt...in dem Moment, wo er drinnen ist, ist es dann wie als würde er in sich einen neuen Raum entdecken und wenn er die Übung wieder verlässt ist es so als ob dieser innere Raum gefüllt ist mit etwas, das ihm zwar nicht gehört aber von dem er so wie ein Teil davon ist. Womöglich kommt von daher der leicht trügerische Schluss leichtfertig von “meinem Atem” und “meinem Yoga” zu sprechen. Manchmal fühlt es sich auch so an, als würde er von innen her eine Massage bekommen – ja, tatsächlich sowas wie eine Prana-Massage. Dann prickelt es überall ganz angenehm und er fühlt sich wie einmal durchmassiert.Inspiriert durch seinen eigenen philosophischen Exkurs lässt er sich in seiner Yogapraxis heute mehr bewusst denn je vom Atem führen...verweilt mal länger als sonst in einer Position und beobachtet, wo ihn der Atem hinführt.Vertrauensvoll folgt er dem Atem und muss feststellen, dass sein Denken problemlos dem Atem die Führung überlässt und er von einer Sache zur nächsten geführt wird, ohne drüber nachdenken zu müssen. Das fühlt sich gut an – so wie als hätte er einen Lehrer, dem er folgt und für diese Zeit seinen Kopf abschalten kann. Wahrscheinlich hat dieser treue Lehrer eine perfekte Struktur in der Tasche, die er dann erst auspackt, wenn man bereit ist, zuzuhören. Dann kann man teilhaben und sich anbinden an das, was wahrscheinlich wie der Atem immer da ist, nur dass es nicht immer so deutlich spürbar ist. Der unbeirrbare Alltagsyogi wird ein wenig aufgeregt – das ist so spannend...aber er muss leider auch etwas traurig feststellen, dass er bislang wohl nicht der beste Zuhörer gewesen ist. Wenn man schnell Machen will um womöglich den Lärm der Gedanken und Gefühle zu übertönen und die inneren Spannungen abzubauen, ist man wohl doch eher mit einer äusseren Schicht beschäftigt und sich nur begrenzt in tiefere Ebenen führen lassen kann. Aber das wird sich nun ändern: vertrauensvoll und wertfrei zuzuhören wird die nächste Asana sein, der sich der unbeirrbare Alltagsyogi widmet. Entschlossen leitet er mit diesem Vorsatz zur wechselseitigen Nasenlochatmung über und dann dem immer wieder gerne eingenommenen Savasana – der besten Yogapose überhaupt: auf dem Rücken liegen und….nein, nicht einschlafen, sondern dem Atem und dem Körper lauschen – sich mitnehmen lassen auf eine Reise der Erholung und Entspannung.

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